Planet Xenbel: „Und wenn die Musik aus ist, was dann?“

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Gut, Tourdiarys auf Video sind schon länger populär, aber der Resident Advisor hat es mit „Between The Beats“ bisher am besten umgesetzt. Die Pilotfolge mit Nina Kraviz sorgt aufgrund von heiklen Szenen im Wasser und Greg Wilsons Artikel darüber für maximale Promotion und ich promote gleich mit.

Greg Wilson beschäftigt sich in seinem Artikel mit der Frage, ob dieses Video ein sensibles Porträt eines guten DJs oder grenzwertige sexistische Promotion ist. Der Text ist positiv und sachlich geschrieben, trifft den Kern, gibt einen groben Überblick über Ninas Werdegang und lobt sie dabei konstant.

Das Video beginnt mit Nina im Bikini am Strand. Sie erzählt von ihren Reisen und dass sie wenig Zeit für ihr Privatleben hat. Dann springt sie in die Wellen, ein paar Möwen fliegen vorbei und sie kommt wieder aus dem Wasser, wobei die Kamera sie von hinten filmt. Schnitt. Es sieht ästhetisch aus, fängt ein Sommergefühl ein und passt gut zu meinem Bild von Deep House und Beachparty. Es geht weiter mit Nina im Restaurant, Club, Auto, Flughafen, das Ganze wiederholt sich. Nina ist überall top in Szene gesetzt. Ihr Haar fliegt im Wind, der Mund ist lasziv geöffnet, sie lächelt, spielt mit der Kamera, macht den Ghetto Kravitz Dance und erzählt ihre Geschichte. Alles sehr professionell und gut gemacht. Da können sich andere eine Scheibe von abschneiden. Dann kommt die berüchtigte Badewannen-Szene. Nina liegt im Bad, mit Schaum bedeckt, streicht ihn weg, guckt schelmisch in die Kamera, erzählt, dass es nicht einfach ist eine Frau in diesem Geschäft zu sein und Beziehungen aufzubauen, und dass sie die One-Night-Stands ihrer männlichen DJ Kollegen versteht. So besonders aufregend und provokant finde ich die Szene nicht, eher etwas plump. Ist so eine 50/50-Einstellung. Entweder man ist negativ berührt oder findet es sexy. Mariah Careys Auftritt in „The Cribs“ war auf jeden Fall peinlicher.
Was mich letztlich gereizt hat, ist Ninas öffentlicher Brief an Greg Wilson. Zu übertrieben setzt sie hier auf Ahnungslosigkeit und rechtfertigt sich für Dinge, die gar nicht zur Debatte stehen. Sie ist ein Marketing-Genie. Ich möchte ein paar Sätze aus ihrem Brief zitieren.

„… Girls need to behave? Behave like not even put make-up on, because ‘oh my god, she can’t be taken seriously, if she is pretty and feminine.“ Sehr schön am Thema vorbei. Einfach mal generalisiert und irgendwas hinter dem Mond hervor geholt. Make-up und Badewanne sind zwei verschiedene Dinge. Bis auf Sinead O’Conner fällt mir spontan auch keine Künstlerin oder Frau ohne Make-up ein.

„… I am the most well behaved DJ ever. Who doesn’t take any drugs, who is professional and true to her self. Who never played a single record to please anybody.“ Soll es heißen, dass der Körpereinsatz entschärft ist, weil Nina sonst keine Drogen nimmt? Der Satz „Who never played a single record to please anybody“ hört sich natürlich etwas seltsam für einen DJ an, ist aber eine ziemlich gelungene Provokation und Ablenkung. Schon fast DJ Koze-Niveau, der sich durch die Platten definiert, die er nicht spielt.

„I was in a fight with RA, because they didn’t want to remove some episodes after following me for three days non-stop I found it a bit too focused on me as a female … Finally they removed a lot but even after that, the innocent and in my opinion lovely shoot in the bath makes you mad. So funny. This video is about DJs on the road. And DJs take baths sometimes.“ Gab es noch bessere Szenen? Gibt es Outtakes? Wenn diese Szene als „Jeder DJ nimmt mal ein Bad auf Tour“ gedacht war, ist etwas grundlegend schief gelaufen.

„You think there must be a mistake. There must be something wrong. But no there is isn’t. You can’t control artists and their creativity.“ Vollkommen richtig, ich bin auch für künstlerische Freiheit, aber vielleicht etwas weniger Kalkül!

Das Xenbel

FAZEmag 015/05.2013 

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