„DJ Jochen is in the town!“ Natürlich ist die Veranstaltung seit Wochen ausverkauft. Die Leute reiben sich schon die Hände, die Raver-Füße zucken bereits und die Social-Media-Nerds können ihr Glück kaum in Ausrufezeichen fassen!!!!! Die Vorfreude auf einen DJ ist natürlich riesengroß, wenn diese/r schon beim letzten Mal begeistert hat und die Erinnerungen daran noch in aller Munde sind. Und natürlich ist es auch der Anspruch des DJs selbst, diese fette Party nicht nur zu wiederholen, sondern diesmal noch einen drauf zu setzen.
Hin und wieder sind es aber dann Momente wie diese, wenn man sich nach langer Reise in einer fremden Stadt alleine im Hotel langweilt, noch einige Stunden auf der Uhr hat und sich so seine Gedanken macht. Wie es wohl wird, was du spielen wirst, wie die Leute darauf reagieren werden. Obwohl es natürlich Quatsch ist. Schließlich weiß man doch, was man kann und wie man die Leute in seinen Bann zieht. Doch ist dann immer wieder die gewisse Anspannung mit im Spiel, auch wenn man sich das nicht eingestehen mag. Lampenfieber ist keine Krankheit. Man merkt es meist erst nach dem Gig, wenn eine unsichtbare Last von einem abfällt. Aber Hand aufs Herz: Dieses Kribbeln hält frisch zwischen den Ohren, denn so bleibt man stets fokussiert. Und ich bin glücklich darüber, dass es bei mir nach über 15 Jahren des Auflegens auch immer noch kribbelt.
Aber natürlich gibt es sie: Die Momente, wo man in Gedanken gerade wo ganz anders ist, man neben sich steht, der Funke nicht überspringen mag. Vielleicht auch, weil die Technik spinnt, die Limo nicht schmeckt, der Veranstalter ein Kauz ist. Situationen, in denen du einfach nur Mensch bist, aber die versammelte Meute vor dir steht, dich anstarrt und schlichtweg erwartet, dass du zündest.
Es ist nicht die Angst des DJs, den falschen Knopf zu drücken. Vielmehr treibt es einem die Schweißperlen auf die Stirn, wenn man nicht den perfekten Folgetrack findet, während Track A Sekunde für Sekunde runter läuft. Tick, tack, tick, tack. Der Stoff, aus dem DJ-Albträume gemacht sind. Es ist aber genau diese Erwartungshaltung, die das zahlende Publikum an ihren DJ stellt: Er/Sie möge bitte einfach funktionieren, zu dem perfekten Übergang ein Lächeln im Gesicht haben und den Drop mit einem über-coolen Move zelebrieren.
Ich habe die Diskussion häufig mit meinem Vater, wenn wir zusammen Fußball schauen. „Bei dem Geld, was die verdienen – da müssen die doch besser spielen!“ ist sein Beklagen. Aber ist es das Geld, was einem Fußballer bei einem schlechten Spiel durch den Kopf schießt? Nein, natürlich nicht. Und der Branchenvergleich hinkt nicht. Denn vom DJ wird gleichsam erwartet, dass er/sie abliefert, dass die unbändigen Erwartungen der Gäste erfüllt werden und sich der entrichtete Obolus zumindest im Hinterkopf amortisiert hat. Aber auch DJs sind nur Menschen, greifen mal daneben, treffen nicht immer den richtigen Nerv. Was gestern in Hamburg noch super funktioniert hat, floppt heute in München vielleicht auf ganzer Linie. DJ zu sein heißt, kein Programm abzuspulen, sondern auch mal Experimente zu wagen. Auch wenn man Musik „aus der Konserve“ spielt, darf man ja trotzdem Künstler sein. Mehr als schiefgehen kann es zwar nicht, aber natürlich hofft man, dass alles gut wird und man nicht versagt. Und meist ist es dann einer dieser Glücksmomente, der dich mit den Leuten vereint, der den Schalter umlegt und die imaginäre Handbremse löst.
Ich denke, da geben mir viele Kollegen Recht: Manchmal muss man sich erst selber ein bisschen geil finden, um diese Bühnen-Ausstrahlung dann auch unter die Crowd zu bringen. Denn die Lockerheit gewinnt man erst, wenn man von sich selbst überzeugt ist, den inneren Einklang gefunden hat. In erster Linie ist es also die Erwartungshaltung an sich selbst, die das ganze Kopfkino ausmacht. Schließlich will man sich ja auch immer wieder aufs Neue begeistern.
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