Neelix‘ Gedanken – die Kolumne

 

Einige Beobachtungen und Erlebnisse haben mich in letzter Zeit nachdenklich gestimmt und das möchte ich heute mit euch teilen.

Vor ein paar Wochen saß ich auf einer Parkbank neben einem Spielplatz und beobachtete, wie ein Kind eine Rutsche hochkrabbelte. Als es fast oben angekommen war, kam die Mutter angelaufen und schob das Kind hoch. Schade! Ich hätte gerne gesehen, wie das Kind oben triumphiert, weil es es allein geschafft hat. Was lernt das Kind durch diese Hilfe der Mutter? „Du schaffst es nicht allein.“ Was das Kind so nicht erleben konnte: selbst etwas zu leisten und dabei erfolgreich zu sein.

Mein Vater macht die besten Hefeklöße der Welt. Alle, ob groß oder klein, essen sie mit Begeisterung. Irgendwann war es mal wieder soweit: Wir saßen gemütlich beisammen, klönten, und mein Vater wirbelte in der Küche herum. Als er die ersten warmen Hefeklöße servierte, sagte eine Freundin, die mit ihrem zehnjährigen Sohn Tom zu Besuch war: „Tom mag die Klöße bestimmt nicht. Er isst nichts Unbekanntes.“ Tja, den Rest könnt Ihr euch wohl schon denken. Obwohl wir dem Jungen alle zusprachen, hat er nicht einmal von den Hefeklößen probiert. Vermutlich wollte Tom so den Erwartungen seiner Mutter gerecht werden. Was ihm dadurch genommen wurde: sich selbst ein Urteil über etwas, in diesem Fall Hefeklöße, zu bilden.

Als ich kürzlich vor einem Geschäft auf meine Freundin wartete, zog ein Motorradladen meine Aufmerksamkeit auf sich. Zu der linken Eingangstür führte ein langer Weg, mit Absperrbändern abgesteckt und mit Pfeilen auf der Erde gekennzeichnet – ganz offensichtlich für Situationen, in denen der Andrang besonders groß ist. An der rechten Tür waren ebenfalls große Pfeile angebracht, dieses Mal mit dem Hinweis „AUSGANG“. Diese Tür war sperrangelweit offen und kein Mensch war weit und breit zu sehen. Auch der Laden selbst war fast leer. Als nun zwei Kunden kamen – sie liefen von der rechten Seite auf den Eingangsbereich zu – gingen sie an der weit geöffneten Tür vorbei, um das Geschäft ordnungsgemäß über den abgesteckten, langen Eingangspfad zu betreten. Ich fragte mich, warum sie nicht durch die Ausgangstür hineingegangen sind, ohne den langen Umweg? Es war doch weit und breit niemand dort, dem sie hätten zu nahekommen können.

Haben die beiden bisher nur gelernt, Anweisungen ungefragt zu befolgen? Hatten sie Angst vor Repressalien oder waren sie unsicher, weil sie jemand beobachten könnte?

Mich beschäftigt es sehr, wie unser frühkindliches Erleben unser heutiges Verhalten beeinflusst. Anscheinend fühlen wir uns nur dann geliebt und angenommen, wenn uns unsere Eltern, Lehrer und andere Menschen – ja, die Gesellschaft – für „richtig“ halten. Oder?

Beschränken solche Dinge, wie oben beschrieben, nicht die zahlreichen Möglichkeiten und Freiheiten junger heranwachsender Menschen, sich selbst zu probieren, zu entdecken und zu erforschen, was sie alles mit eigener Kraft machen und aus eigenem Antrieb erreichen können?

Ich bin überzeugt, ein Kind sollte so akzeptiert, geliebt und anerkannt werden, wie es ist und nicht, wie es nach den Vorstellungen der Eltern sein sollte. Das Kind verliert sonst seine Neugierde an Unbekanntem und kann Bewältigungsstrategien nicht eigenhändig entwickeln. Am Ende befolgt es Anweisungen und verhält sich exakt so, wie es von ihm verlangt wird, nur um angenommen und geliebt zu werden. Ich denke, dass wir dieses Erlernte auch in unserem späteren Leben unbewusst immer wieder abrufen.

Ich vermisse besagte Neugierde und das Hinterfragen von Vorstellungen, Behauptungen und Anweisungen auch bei vielen Gesprächen unter uns sogenannten Erwachsenen. Dass sich viele Menschen für die Probleme auf der Welt und auch hier, direkt vor der Tür, nicht interessieren, macht mich nachdenklich, traurig und frustriert mich teilweise. Macht „Mutti“ in unserem Sinne wirklich alles richtig? Und wenn man schon als Kind Dinge nicht hinterfragen durfte, sollte man dann nicht heute damit anfangen?

Wie genau sehen unsere Handelsbeziehungen mit der sogenannten „Dritten Welt“ aus? Weshalb existieren Hunger und Armut, während es immer mehr Milliardäre gibt? Warum sterben in Deutschland nach wie vor jedes Jahr so viele Menschen an multiresistenten Keimen, obwohl bekannt ist, wie das verhindert werden kann? Warum dulden Politiker immer noch eine unmenschliche Krankenhausführung und eine massenhafte, unwürdige Tierhaltung mit ungezügeltem Antibiotika-Einsatz? Sind sie wirklich an unserer Gesundheit interessiert oder regieren letztlich nur Profitstreben und Machtmissbrauch? Werden unsere Gesetze und Maßnahmen zur Regelung des gesellschaftlichen Alltags beschlossen, mit dem Wissen, dass es uns besser geht? Oder werden sie vom Lobbyismus inszeniert, damit die Anhäufung von Reichtümern weiterhin gesichert ist?

Über all diese und andere Fragen lohnt es sich doch, zu diskutieren und zu streiten. Allerdings erfahre ich immer öfter, dass viele hierzu keine Meinung haben oder wenn überhaupt, sie diese für sich behalten. Schlimmer jedoch finde ich fast noch, dass diejenigen, die diese Probleme ansprechen und kritisch hinterfragen, als Störenfriede empfunden werden.

Ich möchte mehr wissen und neugierig bleiben. Sich zu interessieren und zu informieren ist notwendig, um sich mit verschiedenen Sichtweisen und Meinungen auseinandersetzen zu können. Auch die unmöglichsten Theorien zu diskutieren lohnt sich, weil man immer weiter lernt und davon abgehalten wird, die Welt nur aus einer Perspektive zu betrachten. Gerade weil ich bei vielen Dingen keine Lösung weiß, ist es doch notwendig, mir andere Standpunkte einzuholen. Wir brauchen ja nicht immer einer Meinung sein, aber vielleicht bringt der Austausch ja auch etwas für unsere Haltung?! Vielleicht erweitern andere Meinungen unsere Sichtweisen und wir gewinnen etwas dazu, wenn wir nur ein bisschen offener und interessierter in die Gespräche gehen. Im besten Fall könnten sich so sogar unsere Feindbilder relativieren.

Es ist immer wichtig nachzufragen und besonders, nachfragen zu dürfen. Unsere Geschichte ist voll von Beispielen. Nehmen wir Galileo Galilei, der „frecherweise“ behauptete, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Unter Androhung von Folter wurde Galilei von den Herrschenden damals eines Besseren belehrt. Erst am 2. November 1992 hat sich die Kirche dafür öffentlich entschuldigt.

Es gab noch nie auch nur eine kritische Frage zu viel, es gab immer nur eine zu wenig. Es ist nicht verwerflich, sich mit verrückten Ideen zu befassen. Und wir sollten auch nicht in Panik verfallen, obwohl wir jeden Tag mit Corona und den dazugehörigen Maßnahmen, mit Ermahnungen und mit Angst erregenden Berichten überhäuft werden. Angst ist kein guter Ratgeber.

Ich freue mich auf die nächste Party mit euch – einfach wieder richtig tanzen und sich am Leben erfreuen. Bis hoffentlich ganz bald!

Henrik

 

 

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