Der Weg nach Hause. Heute: DJ – die Kolumne von Marc DePulse

Marc DePulse – aus dem Leben eines DJs: Der Weg nach Hause
Marc DePulse – aus dem Leben eines DJs: Der Weg nach Hause

Marc DePulse – aus dem Leben eines DJs: Der Weg nach Hause

Der letzte Track läuft soeben aus. Die Crowd pfeift, schreit und hüpft. Mithüpfen schwierig, Blase platzt gleich. Mit gequältem Lächeln in die Menge winken. Foto-, Autogramm- und Kinderwünsche müssen kurz warten. Zielsicheren Kampfsprint zum Herren-WC einlegen. Uuuuhhhh! Aaaaaaahhh! Breitestes Grinsen aufsetzen, Glückshormone strömen aus. Das war schön! Der Gig übrigens auch.
Zurück zum Pult, Sachen zusammensuchen. Kopfhörerkabel versuchen zu entknoten. Egal, mach ich morgen. USB-Stick sicher entfernen, dabei vorher mindestens fünf Mal die richtige Verlinkung prüfen. Die Partykumpels mit den großen Augen warten schon an der Bar auf mich: „Wir aftern noch bei Michi, kommst du mit?“ Ausreden suchen. Aufs nächste Mal vertrösten. „Das hast du letztens auch schon gesagt.“ Notiz an mich: bessere Ausreden erfinden und einprägen. Hinterausgang entdecken, ins Taxi flüchten. Polnischen Abgang, kann ich. Kurz später online verabschieden: „Sorry, hab euch nicht mehr gefunden!“ Puh, nochmal Glück gehabt! High-Five mit mir selbst.

Hotel. So lange jammern, bis das Frühstücksbuffet für mich eher eröffnet wird. Warum gibt’s jetzt hier kein Bier? Saftladen! Dank Smartphone gleich mal die Hotelbewertung verfassen: „Wenigstens gab´s Kaviar zum Lachs. Das rettet euch zwei Punkte.“
07:00 Uhr, Schlafenszeit. Auf dem Weg zum Zimmer noch sämtliche „Do not disturb“-Schilder an fremden Türen umdrehen. Ab ins Bett, Fernseher an, nach drei Minuten losrüsseln. Dank Pionierblase nur zwei Stunden schlafen können. Aufwachen, Kopfschmerzen, kratzige Stimme verspüren, sich wie ein Rockstar fühlen. Na gut, muss eh gleich los. Alle beweglichen Zimmer-Artikel im Koffer verstauen. Ist noch Platz für Klopapier? Man weiß ja nie. Älteres Ehepaar im Fahrstuhl hält Sicherheitsabstand zu mir. Sehe ich gefährlich aus? Rieche ich?? Mir egal. Lauthals einen schönen Tag wünschen, dabei die Reste von letzter Nacht aushusten.
Beim Check-Out an der Rezeption den Eigenverbrauch leugnen, während man am hauseigenen Schokoriegel kaut und das Flaschenarsenal im Koffer klimpert. „Nö, ich hatte nix aus der Minibar.“ Schnell noch sämtliche Bonuskarten durchziehen lassen, Sonnenbrille gegen die Tageslichtallergie aufsetzen und ab ins Taxi.
Foto aus dem Fenster heraus. Schließlich will man ja was von der tollen Stadt gesehen haben. Jetzt ist es Zeit für das Social-Media-Posting. 20 Minuten lang die coolsten Hashtags suchen. Akku leer, verdammt!

Flughafen. Mit der Vielfliegerkarte wedeln, um dem Stress zu entfliehen. Lounge. Endlich Mittagessen. Wieder nur Kartoffelsalat und Wiener? Egal, Hauptsache umsonst. Ruhebereich aufsuchen, versäumten Schlaf nachholen. Mit dem zweiten „Last Call“-Aufruf in den Flieger fallen.
Heimflug. Der Vordermann bestellt sich Rotwein. Will er den jetzt wirklich alleine trinken? Innere Konflikte überwinden. Na gut. Beschwipst die paar Luftlöcher im Landeanflug genießen, während der Omi auf dem Nachbarsitz der Schweiß von der Stirn tropft. Ihr gut zureden: „Runter kommen wir sowieso!“ Beim Lachen fast verschluckt. Ups, da stieß mir aber gerade etwas auf.
Gelandet, schwanke aber immer noch. Meinen Kumpels vom Zoll freundlich zunicken, schließlich sieht man sich ja jede Woche. Voller Erstaunen den Weinverkoster von gestern begrüßen. Armer Kerl, muss Sonntagabend noch arbeiten. Gemeinsam auf ein anstrengendes Wochenende anstoßen. Der Freundin kurz texten, dass man die Bahn verpasst hat. Nicht mal gelogen.
Ab nach Hause. Hunger. Kein Bargeld dabei. Warum kann man im Dönerladen eigentlich nicht mit Kreditkarte bezahlen? Im Hinterkopf kurz den eigenen Kontostand überschlagen. Na gut, dann bestellen wir halt Sushi nach Hause. Ist sowieso gesünder. Zu Hause ankommen. Von gestern gelernt und vorher zielsicher einen Kaugummi eingeworfen. Jammernde Stimme auflegen, leidender Gesichtsausdruck. Vom Anflug einer Männergrippe berichten und erst einmal wieder hinlegen. Freundin zieht Krankenschwester-Outfit an. Was muss, das muss. Feierabend.

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www.marc-depulse.com 
Grafik: www.facebook.com/ZOVVstoff