Das ist Ricardo Villalobos

Idiosynkratisch, exzessiv, ausdauernd, extravagant, minimalistisch, uferlos und–ach–sei es drum.

Das wären so einige passende Adjektive, die auf unseren Ricardo zutreffen. Wir wollen euch hier aber eine detailliertere Beschreibung von diesem Minimal-Revolutionär geben, der schon seit über 30 Jahren an den Tellern steht und weltweit für seine grenzüberschreitenden DJ-Sets sowie Produktionen bekannt ist.

Die Lebensgeschichte des Phänomens Villalobos beginnt im südamerikanischen Santiago de Chile, wo Ricardo am 6. August 1970 zur Welt gekommen ist. Aufgrund von politischen Unruhen in Chile, mussten seine Eltern das Land verlassen und flüchteten mit ihm im Gepäck nach Deutschland. Mütterlicherseits ist Ricardo Villalobos deutsch und besitzt sowohl die deutsche als auch die chilenische Staatsbürgerschaft. Das hessische Dorf Seeheim-Jugenheim war die erste Anlaufstelle für den Exil-Chilenen. Durch seinen Musik-versierten Vater sprang der erste Funke auf Ricardo über und entfachte das Feuer in ihm, an dem sich unser einer das ein oder andere Mal bei seinen inbrünstigen-DJ-Perfomances verbrannt hat. Ricardos Vater war ein wichtiges Vorbild und auch sein Mentor, durch den er eine Vielzahl an Musikgenres kennenlernte. So waren seine Einflüsse unter anderem Salsa, Rock und elektronische Musik. Durch Freunde seines Vaters, die eine Veranstaltungsagentur betrieben, gab Ricardo seine ersten öffentlichen musikalischen Darbietungen auf Tanzveranstaltungen, auf denen er Congas spielte. Noch blutjung und grün hinter den Ohren brachte ihn sein Vater in die damals populäre Disco Dorian Gray, die sich im Frankfurter Flughafen befand und im Rhein-Main-Gebiet die angesagteste Adresse war. Nur rund drei Jahre später fand sich Ricardo Villalobos hinter dem DJ-Pult in einer Disco wieder und feierte 1988 sein Club-Debüt. Begeistert war er besonders von Depeche Mode und fing damit an, eigene Musik in Anlehnung an die Band aufzunehmen. Sein Debüt-Release lies nicht lange auf sich warten. 1992 war es dann soweit und er brachte eine Maxisingle auf dem „Overload“-Label heraus. Mithilfe von illegalen Techno-Partys machte Villalobos überregional auf sich aufmerksam. Ebenfalls gründete Villalobos in dieser Zeit seine ersten eigenen Labels „Elastic Music“ und „Placid Flavour“, die beide jedoch erfolglos blieben. In seiner alten Heimat wurde Ricardo bekannt als er von den Verantwortlichen des Ongaku-Labels als perfomender Act auf ein Festival in Chile eingeladen wurde, das während einer Sonnenfinsternis stattfand. Somit machte sich Ricardo auch in Chile einen Namen und wurde während der deutschen Wintermonate regelmäßig dort eingeflogen, um Gigs zu spielen. Zurück in Deutschland wurde er 1995 Resident im Frankfurter Club „Box“ und später auch in Sven Väths legendärem Omen, worauf zahlreiche Auftritte im Stammheim Kassel folgten. Auch die Insel rief wenige Jahre später. 1997 legte Villalobos regelmäßig auf Ibiza auf, wo er sich zwei Jahre später als Resident-DJ der „Cocoon-Clubbing-Events“ von Babba Sven Väth, die ihre Wurzeln im Frankfurt U60311 haben, zu den gefragtesten DJs dieser Zeit mauserte. Kurz vor der Jahrhundertwende brachte Villalobos dann eines seiner einschlägigsten Stücke heraus: „808 The Bassqueen“. Wie der Titel schon erahnen lässt, ist die Basis dieser Nummer eine wuchtige 808-Kick, die unsere Mägen auf Raves heute noch auf die Probe stellt. Die Art und Weise, wie „808 The Bass Queen“ anfänglich fast wie eine Bedrohung beginnt, bevor die Königin aller Königinnen zu etwas Melancholischem, Üppigem und nicht zuletzt Euphorischem aufblüht, ist atemberaubend und versetzt jede/n noch so zerstörte/n Raver*in auf einer Afterhour in totale Ekstase, für die der auf Partys immer ausufernde Ricardo Villalobos so berühmt ist.

Weitere erfolgreiche Releases folgten bis zum Herbst 2003, als Ricardo mit „Alcachofa“ sein Debütalbum auf dem Label Playhouse ablieferte, das von der Presse hochgelobt wurde. Nur zwei Jahre später folgte sein zweites Album unter dem Namen „Thé au Harem d’Archimède“ auf dem Label von Zip, mit dem er bis heute zahlreiche B2B-Sets gespielt hat. Schon vor 20 Jahren ließen sich Ricardos Produktionen in keine Genre-Schublade stecken, jedoch finden sich unterschiedliche Einflüsse aus den Bereichen des Acid House und Minimals. Ins Ohr stechen auch südamerikanische sowie balearische Sounds. 2006 schoß Villalobos mit seinem Track „Fizheuer Zieheuer“ den Vogel ab. Über sage und schreibe 37 Minuten zieht sich diese Nummer in der gewohnten idiosynkratischen Aufmachung von Ricardo hin. 2015 brachte Ricardo dann mit dem Track „Bionic Sad„, der 45 Minuten geht, das i-Tüpfelchen im Hinblick auf Track-Laufzeiten.

Später gründete Villalobos das Projekt namens „Narod Niki“, in dem acht bekannte DJ-Größen gemeinsame Livesets ausschließlich mit ihren Laptops spielen, darunter auch der Minimal-Techno-Pionier Richie Hawtin, mit dem Ricardo schon seit Beginn seiner DJ-Tätigkeiten auf Ibiza zusammengearbeitet hat. 2007 startete Villalobos sein eigenes Imprint Sei Es Drum, auf dem im selben Jahr noch sein gleichnamiges Album erschien. In einer Dokumentation namens „24h Berlin“, die 2009 ausgestrahlt wurde, wird Ricardo in seinem Studio gezeigt, wo er an der „Dramaturgie der Nacht“ arbeitet. Auch wird er zu einem DJ-Gig begleitet, der in der Panorama Bar im Berghain stattfand. Diese Filmaufnahmen, die im Free-TV ausgestrahlt wurden, zeigen das innere des Berghains. Ein weiteres Filmprojekt, in dem Ricardo zu finden ist, ist die Doku „Denk ich an Deutschland in der Nacht“ von Regisseur Romuald Karmakar.

Villalobos, inzwischen glücklich verheiratet, lebt mittlerweile in Berlin. Für Nachwuchs hat der Deutsche mit chilenischer Herkunft ebenfalls schon gesorgt. Sobald die Corona-Restriktionen komplett der Vergangenheit angehören, legen wir es euch nahe, diesen grenzüberschreitenden DJ-Giganten live in Aktion zu erleben, wenn ihr dies nicht schon getan habt. In beiden Fällen legen wir euch die „New Kids On Acid“-Veranstaltung im Watergate ans Herz, auf der Ricardo Resident ist und die aufgrund ihrer enthemmten Atmosphäre, für die nicht zuletzt Ricardo selber verantwortlich ist, immer einen Besuch wert ist.

 

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