Raverglueck – Lost in Panama

Ohne Raves kein Raverglueck. Aufgrund der Corona-Krise und der damit verbundenen Veranstaltungs-Zwangspause mussten wir in den vergangenen Monaten auf unsere heiß geliebte Kolumne verzichten. Doch nun melden sich Iryna und Roxy mit neuem Lesestoff zurück. Und davon gibt es in dieser Ausgabe reichlich, denn die beiden waren beim weltweit letzten Festival, das vor dem globalen Lockdown stattfinden konnte – dem Tribal Gathering in Panama! Tribal Gathering? Da war doch was. Stimmt, denn das Festival geriet im März in die Schlagzeilen, weil rund 300 Besucher zwischenzeitlich auf dem Gelände festsaßen. Auch Iryna und Roxy waren zunächst betroffen, für sie kam es anschließend allerdings noch weitaus dicker …

 

Wir sind Iryna und Roxy und dies ist unsere Geschichte über die Abenteuer von Raverglueck, einem Festival-Vlog in festivallosen Zeiten.

Wie es sich für Festival-Blogger gehört, haben wir es zum bis dato letzten Festival im Jahre 2020 geschafft. Was wir allerdings nicht geschafft haben: im Anschluss wieder nach Deutschland zurückzukehren. Dass wir ungeplant fast vier Monate in Panama leben würden und dass dies zu einer der intensivsten Erfahrungen unseres Lebens werden würde, haben wir nicht kommen sehen. Aber alles der Reihe nach.

Es war einmal im Februar, einem wundervollen Monat für den Start unserer Festivalsaison 2020. Noch etwas kalt in Deutschland, aber dafür warm und gemütlich in der trockenen Jahreszeit in Panama. Mit Aussicht auf ein glorreiches Festivaljahr samt Highlights wie Monticule, Fusion, Feel oder Ozora, sind wir voller Vorfreude in Richtung Sonne aufgebrochen. Unser Gepäck: Festivalklamotten und wenige überlebensnotwendige Hygieneartikel im Rucksack. Wie auch schon 2019, zelebrierten wir das Paradies des Tribal Gatherings komplett offline. Kurz vor dem Festivalende sind allerdings wilde Gerüchte zu uns durchgedrungen, die in allen Farben und Formen umschrieben, dass die Pandemie innerhalb von weniger als drei Wochen die gesamte Welt auf den Kopf gestellt hatte. Wir saßen nun in der Achterbahn unseres Lebens in der ersten Reihe und schafften es gerade noch, uns anzuschnallen. Schließung der Grenzen, gestrichene Flüge, Lockdowns, Ausgangssperren, Polizeikontrollen überall. Wir konnten zwar letztlich das Gelände des Tribal Gatherings verlassen, wussten aber nicht, wohin wir als nächstes gehen sollten. Ein Rückflug nach Deutschland war erstmal nicht mehr möglich.

Es hat ein paar Tage gedauert, bis wir das Glück hatten, Kalu Yala – eine Eco Community/Hostel – zu erreichen und erleichtert die Bestätigung zu erhalten, dass sie gewillt waren, sich mit uns und einigen weiteren gestrandeten Festivalbesuchern in Quarantäne zu begeben. Die Anreise erinnerte an Szenen eines Blockbusters: Nachdem die Polizei uns angehalten und trotz aller Erklärungsversuche wieder zurück nach Panama City geschickt hatte, wurde unsere Gruppe vom Fahrer unseres Vertrauens an einer Tankstelle undercover in zwei Autos mit getönten Scheiben aufgeteilt. Dank alternativer Route haben wir es also doch noch raus aus der Stadt und rein in den Dschungel geschafft. Super! Und jetzt?

Wir waren 30 eingeschlossene Menschen, die zwar an der frischen Luft, aber an einem geographisch begrenzten Ort auf unbestimmte Zeit ausharren mussten. Keiner kam rein und wer rausging, konnte nicht zurückkommen. Wir hatten zwar Anfang des Jahres mit dem Gedanken gespielt, das Community-Leben zu erkunden und darüber auch beim Festival immer wieder gesprochen, aber nun durften wir uns wohl wirklich mal über unsere Manifestationskraft Gedanken machen. Wohlwissend, dass wir die derzeitige Weltsituation nicht kontrollieren konnten, entschlossen wir uns dazu, das Beste aus dieser exotischen Zeit zu machen. Das „Beste“ ist in diesem Fall Definitionssache: Für uns bedeutete es, in uns reinzuhören, uns besser kennenzulernen und uns endlich mit den Themen zu beschäftigen, für die wir uns sonst nicht die Zeit nahmen. Im Nachhinein betrachtet fühlt sich die Erfahrung in Panama wie eine Transformation an, die wir zwar nicht bewusst beabsichtigt hatten, unterbewusst aber irgendwie dennoch.

Es ging los. Ganz im Stil von Transformational-Festivals haben wir ein wöchentliches Workshop-Programm auf die Beine gestellt. Jeder wurde mit der Frage konfrontiert: Welche Talente und Kenntnisse besitze ich, von denen andere Community-Mitglieder profitieren könnten? So wurde jede/-r auf eine unglaubliche Selbstentdeckungsreise geschickt. Und dann wurde es immer verrückter. Nach den ersten Wochen des Austauschs sind immer neue und außergewöhnlichere Themen aufgetaucht, mit denen wir uns unglaublich gerne beschäftigt haben. Selbstreflexion, Schattenarbeit, Astrologie, Chakras und Energiearbeit, Alchemie, Numerologie, Breathwork, Realitätswahrnehmung oder auch Permaculture inklusive Farm-Arbeit (endlich eine Ananas gepflanzt!).

Zu unserer Transformation gehörten nicht nur Aktivitäten in den Dimensionen Mind & Spirit, sondern auch für den Body. Durch eine glückliche Fügung hatten wir drei Yogalehrer unter uns, die jeweils einen unterschiedlichen Fokus setzten – von Yin über Ashtanga bis hin zu Kundalini. Somit hatten wir jeden Tag eine abwechslungsreiche Yoga-Praxis, um stark, gedehnt und entspannt in den Tag zu starten. Zum ersten Mal im Leben ist es uns gelungen, jeden Tag Raum für Meditation zu schaffen. Und neben der regelmäßigen Bewegung, haben wir uns auch nochmal im Detail mit dem Thema gesunde Ernährung auseinandergesetzt und darauf basierend so einiges umgestellt. Wir haben Intermediate Fasting ins Herz geschlossen und sogar ein dreitägiges Fasten ausprobiert und überstanden.

Plötzlich wurde aus dem spontanen Dschungel-Aufenthalt ein ausgedehnter Retreat. Allerdings mit Partys! Nach zwei Wochen haben wir zum ersten Mal die makellose Gesundheit unserer Gruppe gefeiert. Das Soundsystem wurde fortan regelmäßig aufgedreht und zu unserem Glück hatten wir gleich mehrere DJs in unserer künstlerisch talentierten Community. Jede Party fand zwar im gleichen Kreis und auf dem gleichen Gelände statt, allerdings fühlte sich die Erfahrung jedes Mal anders an: Wechselnde Deko aus Naturmaterialien, dynamische Musikgenres und ein kreativer Dresscode, gezaubert aus denselben fünf Kleidungsstücken, waren dafür verantwortlich. Häufig hatten wir das Gefühl, das Festival nie verlassen zu haben. Die gesamte Atmosphäre war schlichtweg surreal.

Beim Versuch, unsere Erfahrung zu begreifen, hat es dann plötzlich „Klick“ gemacht. Wir, eine überschaubare Gruppe an Menschen, haben dieses Festivalgefühl dauerhaft und immer wieder aufs Neue kreiert. Und das geht im Dschungel oder in der Großstadt. Draußen oder drinnen. Wir erschaffen unsere Realität. Wir tragen dazu bei, dass eine grüne Wiese zum Festival-Floor wird. Auch wenn du allein zuhause bist, kannst du dich mit dem Festivalgefühl verbinden: Die Augen schließen und im Wohnzimmer tanzen; Visuals auf YouTube streamen; deine Tischlampe mit buntem Kram verdecken, um eine gemütliche Atmosphäre zu erzeugen oder per Live-Stream an kostenlosen Workshops teilnehmen. Wenn du in zwei Räumen streamst, gibt es sogar zwei Floors! Und das Sofa kann zur Chill-Out-Area werden, wo du bei zu lauter Musik deinen Raver-Bro anrufst.

Wir organisieren, was wir uns wünschen mit dem, was möglich ist. Und wenn wir dies aus Liebe tun und uns nicht nur fragen, was wir davon hätten, sondern auch überlegen, welchen Mehrwert es für andere hätte, dann prosperiert die Welt um uns herum voller Dankbarkeit, Mitgefühl, Aufmerksamkeit und Zuneigung. Auch wenn der gesamte Festivalsommer abgesagt wurde, kann man unsere Kreativität, unsere Liebe zur Musik, unsere gute Laune, unsere tiefen menschlichen Verbindungen und unseren Spaß am Leben nicht absagen. Wir freuen uns auf alles, was kommt und werden immer – gemeinsam mit euch – die Gegenwart zelebrieren!

 

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www.instagram.com/raverglueck

Fotos: Leygh J. Allison