„Bester Newcomer“, „Bester Track“ und „Nervigster Track“: Diese drei Auszeichnungen heimste der Track „Nein, Mann!“ 2010 im Leserpoll des Raveline-Magazins ein. Das muss man erst einmal schaffen. Hinter dem ikonischen Partykracher, der dem Anschein nach ein recht ambivalentes Verhältnis zur Anhängerschaft der elektronischen Szene pflegte, steckt das deutsche Electro-House-Duo Laserkraft 3D – namentlich Niels Reinhard und Tim Hoffmann. Ersterer hat mit uns über die Entstehung von „Nein, Mann!“ gesprochen, das sich in Deutschland mehr als 230.000-mal verkaufte und somit eine Goldene Schallplatte erhielt.
Hallo, Niels. Beginnen wir am Anfang: Was kam zuerst, der Text oder das Instrumental?
Zuerst möchte ich mich an dieser Stelle für das Interview bedanken und sagen, wie sehr es uns freut, dass der Song immer noch so vielen Menschen Freude bereitet. Erst kürzlich ist ja eine neue Rave-Version von KXXMA erschienen.
Zur Frage: Das Instrumental war zuerst da. Das war zu einer Zeit, in der bouncy Tech-Touse und Minimal sehr populär waren. Zusammen mit einem Electro-Sound à la Justice oder Boys Noize haben diese Genres unseren musikalischen Einfluss gebildet, der wegweisend für den Beat von „Nein, Mann!“ war. Ich schrieb also das Instrumental und Tim setzte sich an die Lyrics, die übrigens auf seine mangelnde Bereitschaft, nach Hause zu gehen, zurückgehen. Ich hasste sein dümmliches Grinsen, während er tanzend abblockte – und er empfand mich als langweiligen Spaßverderber. Perfekt!
Wie habt ihr die verspulte Vocal-Hook erzeugt?
Die Vocals mussten natürlich zu der verballerten, nervigen Person im Lied passen. Wir wollten nicht, dass er lallt, sich aber doppelt hört. Gleichzeitig sollte er auch etwas müde klingen, als wolle man ihm sagen: „Digga, du klingst doch schon müde, also was soll der Aufstand?“ Das Endresultat ist dann durch eine Mischung von mehreren Tonaufnahmen der Lyrics entstanden: einmal etwas gelangweilt, leicht müde, aber überzeugend, einmal monotoner und leidender im Klang und zuletzt in einer sehr tiefen Version. Den Rest haben dann Panning und Reverb übernommen.
Aus welchen Quellen stammen eure Drums und wie habt ihr den Track so räumlich und fett gemixt?
Wir haben damals viel aus alten Beats gecuttet und uns aus diversen Libraries bedient. Die Räumlichkeit kommt vom Panning der einzelnen Sounds und dem Reverb, den wir auf die Beats gelegt haben, und dass wir dem FX-Kanal dann den Bass großzügig weggeschnitten haben. Kompressor auf den Bus, und fertig ist die fröhliche Techno-Kaffeefahrt.
Apropos Kaffeefahrt: Wir haben sogar einen blinden Passagier an Bord, zu hören bei ca. Minute 2:42 in der Radioversion: ein einzelnes Trommelwirbel-Sample, das offensichtlich niemandem aufgefallen ist.
Alles fängt an mit einer pulsierenden Synthesizer-Fanfare. Wie habt ihr diesen Sound so Laser gemacht?
Fruity Loops hatte damals dieses Feature, dass überlappende Noten bei monophonen Synthies einen regulierbaren Glide-Effekt hervorriefen – ganz ohne Automation. Wir hießen Laserkraft 3D, da musste ein Laser rein! Am besten ein Laser-Maschinengewehr, wenn wir schon mal damit anfangen. Der Sound sollte bewusst im Kontrast zum Rest des Instrumentals stehen, ein unverwechselbar trashiger Ear-Catcher werden und den Drop mit Vorfreude antizipieren.
Funfact: Aufgrund der sehr polarisierenden Meinungen zum „supernervigen Billo-Sound“ wäre der Laser fast rausgeflogen. Er passte aber trotz des Kontrasts oder gerade deswegen so enorm gut, weil … naja: Was hätte sich unser verschallerter Protagonist im Lied wohl für den Track gewünscht?
Gab es Vorbilder für „Nein Mann!“, die ähnliche Vocals haben?
Ja, ein Track hat uns zusätzlich sehr inspiriert. „Trust“ von Tiefschwarz und Seth Troxler. Da erzählt jemand in einer recht weirden Stimme über, ich glaube, Trust-Issues und Eifersucht. Das Feeling fanden wir cool und wir hatten uns schon damals beim Hören vorgestellt, wie es wäre, wenn es eine vernünftige Antwort dazu gäbe.
Wie fielen die ersten Reaktionen zu „Nein, Mann!“ aus?
Der Track war von Anfang an polarisierend. Entweder feierten die Leute den – oder fanden ihn extrem nervig. Das war für uns schon mal ein sehr, sehr gutes Zeichen. Wir haben zumindest nichts Langweiliges kreiert, sondern etwas, an dem sich die Leute reiben können und daher kleben bleiben, wie die Schwarzlichtfarbe an unseren Händen. Und das fanden wir gut!
Aus dem FAZEmag 139/09.2023
www.laserkraft3d.com
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The Disco Boys – For You (Kontor)
Extrawelt – Soopertrack (Border Community)
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Oliver Koletzki – Der Mückenschwarm (Cocoon Recordings)
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999999999 – Love 4 Rave (NineTimesNine)
Josh Wink – Higher State Of Consciousness (Strictly Rhythm)
Thomas Schumacher – When I Rock (Bush)
Markus Suckut – Infinity (SCKT)
Len Faki – Robot Evolution (Figure)
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Ian Pooley – Celtic Cross (Force Inc.)
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Butch – Countach (Cocoon)
Isolée – Beaut Mot Plage (Playhouse)
SBTH – Ribolla (Lossless)
Matthias Meyer – November Rain (Watergate)
Axel Boman – Purple Drank (Pampa Records)
Sascha Funke – Mango (BPitch Control)
Format:B – Chunky (Formatik)
CamelPhat & Elderbrook – Cola (Defected)
Justus Köhncke – Timecode (Kompakt Records)
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Oxia – Domino (Kompakt)
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Gabriel Ananda – Ihre persönliche Glücksmelodie (Karmarouge)
Ninetoes – Finder (Kling Klong)
Die Vögel – Blaue Moschee (Pampa Records)